Funktionalisierung von Nanopartikeln durch Beschichten (CORESS)

Die geringe Löslichkeit von organischen Stoffen in wässrigen Medien führt zu einer schlechten Bioverfügbarkeit und stellt somit ein wesentliches Problem bei der Herstellung von Formulierungen zur Anreicherung von Lebensmitteln mit bioverfügbaren Stoffen dar [Wong und Johnston 1986]. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit und damit der Wirksamkeit ist die Herstellung einer hochdispersen Phase mit Partikelgrößen deutlich kleiner als 1 µm. Durch die daraus resultierende Vergrößerung der Partikeloberfläche kann eine wesentlich schnellere und über die Zeit höhere Aufnahmerate des Wirkstoffes erzielt werden [Müller et al. 1999a, 1999b, Türk et al. 2002a]. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass sich Phytosterole durch eine cholesterolsenkende Wirkung auszeichnen [Pegel 1997]. Da reine, kristalline Phytosterole eine vergleichsweise geringe physiologische Wirkung besitzen, wird in letzter Zeit verstärkt nach neuartigen Formulierungen zur Verbesserung der Wirksamkeit gesucht. Beispiele für solche Formulierungen sind Lebensmittelzusatzstoffe die in submikronen und damit bioverfügbaren Partikeln eingeschlossene Wirkstoffe enthalten. Ein viel versprechendes Verfahren zur produktschonenden Herstellung submikroner Feststoffpartikel ist die Mikronisierung durch schnelle Expansion überkritischer Lösungen (RESS) [Türk 2001, Türk et al. 2002a].

Ziel unserer Arbeiten ist es, submikrone Partikeln mit einem Beschichtungsmaterial frühzeitig so zu funktionalisieren, dass die Bildung dauerhafter Agglomerate verhindert und somit submikrone Phytosterolpulver mit einer definierten Zusammensetzung, Größe und Struktur hergestellt werden können. Eine Möglichkeit der Funktionalisierung von submikronen Partikeln ist die simultane Expansion von Wirkstoff und einem geeigneten Beschichtungsmaterial (CORESS). Bei der simultanen Expansion von in überkritischem CO2 gelösten Wirkstoff und Beschichtungsmaterial handelt es sich um die Überlagerung von homogener und heterogener Keimbildung. Dabei fehlt es noch am grundlegenden Verständnis der physikalischen Vorgänge bei und nach der Partikelbildung im Freistrahl. Für das tiefere Verständnis dieser Vorgänge müssen jedoch die entscheidenden Mechanismen für die Partikelbildung, die Morphologie der Partikeln sowie die Schichtdicke systematisch untersucht werden. Nur dann ist es möglich, gesicherte Methoden zur Prozessauslegung und -führung zu entwickeln, um eine gleichbleibende Produktqualität und -stabilität zu garantieren.

Ergebnisse (s. auch DFG-Forschungsprojekt "Lipide und Phytosterole in der Ernährung")

Untersuchungen zum Phasenverhalten

Neben den Arbeiten zur Herstellung von submikronen Phytosterolpulvern wurden auch systematische Untersuchungen zur Druckabhängigkeit der Schmelztemperatur von Phytosterol, Eudragit® und von L-PLA sowie DL-PLA in CO2 (SLG-Linie) durchgeführt. Der Verlauf der Schmelzdruckkurve unter hohen Drücken ist für die Auswahl der Vorexpansionsbedingungen bei den Expansionsversuchen notwendig, damit der unerwünschte frühzeitige Phasenübergang aus der überkritischen in die flüssige Phase vor oder in der Kapillardüse verhindert werden kann. Die Untersuchungen zum Verlauf der SLG-Linie wurden in einer Sichtzellenapparatur durchgeführt; dabei erfolgte die visuelle Bestimmung des Übergangs von der festen in die flüssige Phase nach der "first melting point"-Methode.

Wie die Abbildung 1 zeigt, erniedrigt sich die Schmelztemperatur von reinem Phytosterol von 414 K bei Umgebungsdruck auf 373,5 K bei 25 MPa und von reiner L-PLA von 404,3 K bei Umgebungsdruck auf 353,4 K bei 22 MPa. Eine noch deutlichere Temperaturabsenkung von 402,2 K bei Umgebungsdruck auf 344 K bei 25 MPa wurde für eine äquimolare Mischung aus L-PLA und Phytosterol beobachtet. Zum Vergleich wurde auch die Schmelzdruckkurve für eine Mischung mit gleichen Massenanteilen an L-PLA und Phytosterol gemessen, dabei ergab sich ein ähnlicher Verlauf wie für die äquimolare Mischung, so dass diese Ergebnisse aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingezeichnet wurden.

Im Gegensatz zu den in Abb. 1 dargestellten Ergebnissen wurden für Eudragit® in dem für das Vorhaben interessanten Zustandsbereich (p <= 20 MPa und 348 K <= T <= 388 K) kein Übergang von der festen in die flüssige Phase beobachtet.

Herstellung submikroner Phytosterolpulver

Die nachfolgend vorgestellten Ergebnisse wurden mit CO2 als Lösungsmittel sowie folgenden Prozessbedingungen erzielt: die Temperatur im Extraktor betrug 323 K, der Vorexpansionsdruck betrug 20 MPa und die Vorexpansionstemperatur entweder 348 K oder 388 K. Bei den Versuchen mit den Phytosterol/Polymer-Mischungen wurden beide Stoffe gemeinsam in einem Extraktor vorgelegt. Die Größe der gebildeten Partikeln wurde direkt in der Expansionskammer mittels des 3-Wellenlängen-Extinktionsmessgerätes (3-WEM) bestimmt. Für die visuelle Analyse der gebildeten Partikeln wurden aus der Expansionskammer Proben für REM-Aufnahmen gezogen.
 

Untersuchungen zur Mikronisierung der Reinstoffe

Abb. 2: REM-Aufnahmen von reinem Phytosterol.

Abb. 3: REM-Aufnahmen der mikronisierten Polymere, links reine DL-PLA und rechts reine L-PLA.

Die hier vorgestellten Arbeiten mit L-PLA und DL-PLA wurden mit einer Vorexpansionstemperatur von 348 K durchgeführt. Die Abbildung 2 zeigt eine REM-Aufnahme von reinem mikronisiertem Phytosterol; man erkennt, dass das mikronisierte Produkt aus lockeren Agglomeraten mit 50 bis 150 nm großen Primärpartikeln besteht. Dagegen zeigt die Abbildung 3, dass die mikronisierte DL-PLA i.d.R. aus kugelförmigen Einzelpartikeln mit einem Durchmesser von kleiner als 150 nm bestehen, während die mikronisierten L-PLA-Partikeln einen Durchmesser von ≈ 300 nm haben. Die Arbeiten mit reiner L-PLA und DL-PLA zeigen auch, dass L-PLA in CO2 im untersuchten Druck- und Temperaturbereich etwa um den Faktor 7 besser löslich ist. Die Ursache hierfür ist das deutlich niedrigere Molekulargewicht von L-PLA da üblicherweise die Löslichkeit des Polymers in CO2 mit zunehmender Molmasse abnimmt. In Übereinstimmung mit den Untersuchungen zum Phasenverhalten von Eudragit® in CO2 zeigen die Arbeiten zur Herstellung von reinen Eudragit®-Partikeln, dass dieses Polymer, bedingt durch das hohe Molekulargewicht, ebenfalls schlecht in CO2 löslich ist. Jedoch ist aus verschiedenen Arbeiten bekannt, dass durch die Zugabe einer zweiten festen Komponente die Löslichkeit der ersten Komponente deutlich erhöht werden kann. Dies wurde auch durch die Ergebnisse für das Stoffsystem Phytosterol/Eudragit® bestätigt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für die Reinstoffe Phytosterol, L-PLA und DL-PLA im untersuchten Zustandsbereich kein Einfluss der Vorexpansionsbedingungen auf die Partikelgröße beobachtet wurde.

Untersuchungen zur Mikronisierung von Phytosterol/Eudragit®

Wie die Abbildung 4 zeigt, ist es gelungen durch Expansion der ternären Mischung CO2/Phytosterol/Eudragit® den Wirkstoff zumindest teilweise zu kapseln. Bei diesen Versuchen wurde die Partikelgröße (190 ± 50 nm) mit Hilfe des 3-WEM bestimmt. Die visuelle Analyse ergab dass, im Vergleich zum reinen Phytosterol, die Agglomeration der Partikeln durch den Eudragit®-Überzug deutlich vermindert wurde. Während reines mikronisiertes Phytosterol aus lockeren Agglomeraten mit 50 bis 150 nm großen Primärpartikeln vorliegt, besteht das Produkt aus nahezu unvernetzten singulären Partikeln (s. Abb. 4). Auf den REM-Aufnahmen ist eine weiße Umrandung der Partikel in der Mischung zu erkennen. Offensichtlich überzieht das Eudragit® das Phytosterol und verhindert somit eine weitere Agglomeration der Partikeln. Bei den Untersuchungen mit Phytosterol und Eudragit® wurde im untersuchten Zustandsbereich kein Einfluss der Vorexpansionsbedingungen sowie der Extraktionsbedin­gungen auf die Partikelgröße und Zusammensetzung der Partikeln festgestellt. Die beobachtete Änderung der Zusammensetzung wurde hauptsächlich durch die Erhöhung des Vorlageverhältnisses (von 1:1 auf 1:10) erreicht. Dies bestätigen kürzlich abgeschlossene Arbeiten bei denen Phytosterol und EudragitÒ separat in zwei Extraktoren vorgelegt wurden und die bei­den Extraktoren mit verschiedenen CO2-Masseströmen durchströmt wurden. Da die Auswertung der DSC- und IR-Analysen noch nicht vollständig abgeschlossen sind, kann hierzu noch keine abschließende Aussage gemacht werden.

Abb. 4: REM-Aufnahmen von reinem Phytosterol, links, und von Phytosterol/Eudragit®, rechts. Der Eudragit®-Gehalt in der Mischung beträgt etwa 10 Gew.-% [6].

Untersuchungen zur Mikronisierung von Phytosterol/PLA

Bei den bisher mit L-PLA durchgeführten Untersuchungen konnte kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Vorexpansionstemperatur, der Extraktionstemperatur und dem L-PLA-Gehalt im mikronisierten Produkt festgestellt werden. Zwar wurde bei der höheren Vorexpansionstemperatur von 388 K ein höherer Polymergehalt als bei 348 K im Produkt festgestellt, dies ist aber hauptsächlich auf das deutliche Überschreiten der SLG-Linie von reiner L-PLA (siehe Abb. 1) zurückzuführen. Diese Aussage wird auch durch die REM-Aufnahmen in Abb. 5 bestätigt. Während bei dem niedrigen Polymergehalt hauptsächlich singuläre Partikeln vorliegen ist die starke Vernetzung der Partikeln mit dem hohen Polymergehalt ein Indiz dafür, dass diese Partikeln aus bzw. über eine flüssige Phase heraus gebildet wurden. Ein weiterer möglicher Grund könnte die, im Vergleich zu den Versuchen bei 348 K, längere Verweilzeit des CO2 im Extraktor bei 388 K sein.

Abb. 5: REM-Aufnahmen von Phytosterol/L-PLA-Partikeln. Der Polymergehalt beträgt ~18 Gew.-%, links, und ~40 Gew.-%, rechts.

Charakterisierung der mikronisierten Pulver

Neben der visuellen Analyse mittels REM-Aufnahmen wurden die hergestellten Pulver mittels DSC, XRD und / oder IR-Spektroskopie charakterisiert. Nachfolgend sind exemplarisch die wesentlichen Ergebnisse dieser Analysen zusammengefasst:

Die mikronisierten L-PLA-, DL-PLA- und Eudragit®-Partikeln liegen immer amorph vor während mikronisiertes Phytosterol eindeutig eine kristalline Struktur aufweist.

Die DSC-Analysen der mikronisierten Phytosterol/Polymer-Mischungen zeigen, dass die Schmelztemperatur und -enthalpie mit zunehmendem Polymergehalt abnimmt. Somit lässt sich durch die Bestimmung der Schmelzenthalpie der Polymergehalt in der Mischung abschätzen. Die Zuverlässigkeit dieser Vorgehensweise wurde zunächst durch Vergleichsmessungen mit unterschiedlichen physikalischen Mischungen nachgewiesen; bei diesen Proben wurde erwartungsgemäß nur eine Abnahme der Schmelzenthalpie und keine Absenkung der Schmelztemperatur beobachtet.

Die DSC-Analyse von Phytosterol/Eudragit®-Partikeln ergab gegenüber dem reinen Phytosterol eine Abnahme der Schmelztemperatur um 5 bzw. 10 K und der Schmelzenthalpie um 4 bzw. 12 J/g; dies entspricht einem Polymeranteil von ~10 bzw. 23 Gew.-% in der Mischung. Die XRD-Analyse brachte keine eindeutigen Erkenntnisse, da die stark amorphe Struktur von Eudragit® keinen klaren Nachweis in der Mischung erlaubte. Jedoch zeigte die Analyse der Mischung mittels IR-Spektroskopie die für reines Eudragit® typischen Absorptionsbanden der Carbonsäureestergruppen, was die obige Aussage bestätigt. Ein typisches Ergebnis der DSC-Analyse von einer Phytosterol/L-PLA-Mischung zeigt das linke Teilbild in der Abbildung 6. Eingezeichnet sind die DSC-Kurven der beiden reinen Substanzen sowie für eine Phytosterol/L-PLA-Mischung. Man erkennt den deutlichen Schmelzpeak von reinem Phytosterol sowie die Absenkung des Schmelzpunktes der Mischung. Bei den mikronisierten Phytosterol/L-PLA-Mischungen wurde eine Abnahme der Schmelztemperatur zwischen 6 und 22 K und der Schmelzenthalpie von 13 bis 35 J/g festgestellt, was einem Polymeranteil zwischen 13 und 65 Gew.-% entspricht. Die DSC-Analyse der Mischung aus Phytosterol/DL-PLA ergab eine Abnahme der Schmelztemperatur um 8 K und der Schmelzenthalpie um 14 J/g, dies entspricht einem Polymeranteil von ~15 Gew.-%.

Das rechte Teilbild der Abbildung 6 zeigt ein typisches Ergebnis der XRD-Analyse. Eingezeichnet sind die Verläufe der beiden reinen Substanzen sowie für eine Phytosterol/L-PLA-Mischung. Die bei 2θ = 15 und zwischen 17,5 £ 2q £ 19 auftretenden scharfen charakteristischen Peaks sind typisch für kristallines Phytosterol, während die bei reiner L-PLA beobachtete Abwesenheit von klaren Peaks und der breite Hügel im Bereich von 7,5 <= 2q <= 25 typisch für eine amorphe Substanz ist. Die bei sämtlichen untersuchten Proben der Mischung auftretenden charakteristischen Peaks von Phytosterol sowie die Zunahme der Fläche unter der Kurve im Vergleich zu reinem Phytosterol bestätigen somit das Vorhandensein von L-PLA im mikronisierten Produkt.

Abb. 6: Links das Ergebnis der DSC- und rechts der XRD-Analyse für a) reines Phytosterol, b) reine L-PLA und c) eine Mischung aus Phytosterol und L-PLA.

Zusammenfassung

Die wesentlichen Ergebnisse der bisher durchgeführten Arbeiten können somit wie folgt zusammengefasst werden [Türk 2004, Türk und Signorell 2005]:

  • Die mit Phytosterol und Eudragit®, L-PLA und DL-PLA durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass die Herstellung von submikronen Phytosterolpulvern mit unterschiedlichen Polymergehalten möglich ist.
  • Im Vergleich zu den reinen Phytosterolpartikeln ist die Agglomeration der Partikeln deutlich reduziert.
  • Somit wurden einige für die Zusammensetzung, Größe und Struktur der Phytosterolpulver entscheidenden Prozessparameter identifiziert.

Literatur

[1]        Müller, R. H.; Böhm, B. H. L.; Grau, M. J.; (1999a) Nanosuspensionen - Formulierung für schwerlösliche Arzneistoffe mit
           geringer Bioverfügbarkeit 1. Mitteilung: Herstellung und Eigenschaften
, Pharm. Ind. 61, Nr.1, 74-78.

[2]        Müller, R. H.; Böhm, B. H. L.; Grau, M. J.; (1999b) Nanosuspensionen - Formulierung für schwerlösliche Arzneistoffe mit
            geringer Bioverfügbarkeit 2. Mitteilung: Stabilität, biopharmazeutische Aspekte, mögliche Arzneiformen und
            Zulassungsfragen
, Pharm. Ind. 61, 175-178.

[3]        Pegel, K. H.; (1997) Review Article: The importance of phytosterol and sitosterolin in human and animal nutrition,
           South African Journal of Science 93, 263-268

[4]        Türk, M. (2001); Erzeugung von organischer Nanopartikeln mit überkritischen Fluiden; Habilitationsschrift, Fakultät für Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik, Universität Karlsruhe (TH)

[5]        M. Türk, P. Hils, B. Helfgen, K. Schaber, H.-J. Martin, M. A. Wahl; (2002a) Micronization of pharmaceutical substances
            by Rapid Expansion of Supercritical Solutions (RESS): -A promising method to improve the bioavailability of poorly
            soluble pharmaceutical agents-;
J. Supercrit. Fluids, 22, 1, 75-84

[6]        M. Türk, P. Hils, B. Helfgen, R. Lietzow, K. Schaber; (2002b) Micronization of pharmaceutical substances by Rapid Expansion
            of Supercritical Solutions (RESS): Experiments and Modelling
, Part. Part. Syst. Charact. 19, 327-335

[7]        Wong, J.M., Johnston, K.P.; (1986) Solubilization of biomolecules in carbon dioxide based supercritical solutions,
            Biotechnology Press, 2, 29-39.

[8]        M. Türk: Untersuchungen zum Coating von submikronen Partikeln mit dem CORESS-Verfahren; CIT, 76, 6, (2004) 835-838.

[9]        M. Türk, R. Signorell: In situ characterization of drug nanoparticles by FTIR-Spectroscopy, in: “Nanotechnologies for the life
            sciences, Vol. 3 Nanosystem Characterization Tools in the life sciences
”, Editor Ch. Kumar, WILEY-VCH, Weinheim, (2005)